[Character] Farthuul

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Farthuul
Murlocverhauer
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[Character] Farthuul

Beitrag von Farthuul »

Kapitel I - Prolog


Ich bin ein Teil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.

Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär's, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.

Bescheidne Wahrheit sprech ich hier.
Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt
Gewöhnlich für ein Ganzes hält -
Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt,
Verhaftet an den Körpern klebt.
Von Körpern strömt's, die Körper macht es schön,
Ein Körper hemmt's auf seinem Gange;
So, hoff ich, dauert es nicht lange,
Und mit den Körpern wird's zugrunde gehn

(Goethe)


Kapitel 2 – Der Abt.

Der alte Abt saß schweigend auf einem Steinsessel in der abgedunkelten Bibliothek. Die schmalen Fensterschlitze der kalten Klostermauern erzeugten milchige Lichtkegel, welche wie Lanzen die moderige Dunkelheit des staubigen Raumes zerschnitten.

„Hochwürden, wenn Ihr meine Dienste nicht länger benötigt, darf ich mich zur Morgenmesse begeben?“ Mit gefalteten Händen und gesenktem Kopf erwartete der junge Novize die Antwort des Klostervorstehers, während er diesen - seiner zur Schau getragenen Schüchternheit zum Trotz - verstohlen aus den Augenwinkeln musterte. Die zerbrechliche, abgemagerte Statur des kahlköpfigen Greises in seiner schwarzen Mönchskutte wollte so gar nicht zu der spürbaren Energie passen, welche aus seinen halbgeöffneten Augen den ganzen Raum zu durchdringen schien.

Im Novizentrakt des Klosters kursierten die haarsträubendsten Geschichten über den Abt. Darüber, dass er seit Jahrzehnten die Bibliothek nicht mehr verlassen habe. Oder darüber, dass er angeblich als Novize im Alleingang als letzter Überlebender einen Niederweltendämon besiegt hätte, der das Kloster heimgesucht habe. Vielleicht war ein Teil dieser teuflischen Essenz auf ihn übergegangen und Ursache für die erdrückende, eisige Aura, die von ihm ausging. Er kannte keinen Bruder, der sich freiwillig in die Gesellschaft von Abt Fartur begeben hätte, würde es nicht zu den Pflichten das Zölibats gehören.

Endlich hob der alte Mönch den Blick, während seine zittrigen Hände unsicher nach seinem Gehstock tasteten, um sich unter sichtlichen Qualen langsam aus dem von Büchern und Schriftrollen umgebenen Steinsessel zu erheben.

„Geh.“

Der Novice fuhr zusammen und torkelte rückwärts, unsicher darüber, ob Fartur dieses Wort laut ausgesprochen oder direkt in seine Gedanken gebohrt hatte. Er war nur froh, den düsteren Raum endlich verlassen zu können.

Die schwere, eisenbeschlagene Türe fiel lautlos ins Schloss.



Kapitel 3 – Weisheit.

Farturs Blick ruhte noch einen Moment auf der Holzschale mit einer Scheibe hartem Brot und geräuchertem Speck, das der junge Novize auf dem Holzschemel neben seinem Steinsessel abgestellt hatte. Essen, Schlafen, Beten und Arbeiten. Wie er sie hasste, diese notwenigen Übel der menschlichen Existenz. Ohne wirklichen Sinn, sorgten sie einzig und allein dafür, seine Bestrebungen zu verlangsamen. Seine Bestrebungen, all diese Narren weltlicher Geistlicher, Gelehrter und Fürsten Lügen zu strafen. Sie beten. Sie philosophieren. Sie führen Kriege. Und wozu? Für eine Illusion, für einen Bruchteil ihrer erbärmlich kurzen Lebensspanne den Hauch irdischer Macht erlangt zu haben.

Der Abt schlurfte langsam zu dem glühenden Kohlebecken. Seine langen, weißen Finger griffen ein Stück des schwärzlichen Brennholzes, ohne sich um die Hitze und die aufplatzenden Brandblasen auf seiner Haut zu kümmern. Mit erstaunlicher Präzision zeichnete der alte Mann kleine magische Symbole aus Russ in elliptischer Anordnung auf den staubigen Dielenboden.

Als er sich nach einer Weile langsam erhob, um sein vollendetes Werk zu begutachten, fiel sein prüfender Blick auf eine herumliegende, staubige Schriftrolle mit der Darstellung einer der seinen ähnlichen Konstellation von Symbolen. Mit heiserem Lachen betrachtete der Greis das Pergament. Wie erbärmlich. Abt Fartur lachte über seine eigenen vor Jahrzehnten selbst gefertigten Aufzeichnungen, bevor er die Rolle achtlos den Flammen des Kohlebeckens übergab und der Dielenboden wieder seine Aufmerksamkeit beanspruchte.

Wie konnten sich diese sterbliche Narren anmaßen, von Glauben und Weisheit zu sprechen, ohne je das vollkommende Wissen erlangen zu können. Wie eine Sanduhr läuft ihr von Studien und Kriegen geprägtes Leben langsam ab, nur um am Ende mit dem Tod alles Wissen und weltliche Macht wieder zu verlieren. Der Gedanke schien für Fartur so unerträglich, dass er vor Wut den verkohlten Holzsplitter in seiner Hand ob seiner schwächlich wirkenden, verkümmerten Muskeln zu Staub zerdrückte.

Er, Fartur, hatte dies schon vor langer Zeit erkannt. Ihn würde dieses Schicksal nicht ereilen. Niemals. Der alte Abt mit dem Gehstock verriegelte energisch die Tür der Bibliothek, ehe er mit leisen, arkanen Wortsilben den Illusionszauber seines weltlichen Abbilds längst vergangener Zeiten auflöste. Nur die unverändert pulsierend roten Augen im Schädel des mit verwesten Fleischfetzen behangenem Skeletts waren von der Erscheinung des alten Abts geblieben.

Der Leichnam lachte.



Kapitel 4 – Macht.

Abt Fartur hatte sein Werk vollendet. Die Symbole der Ellipse umrissen nicht länger die Dielen des Holzbodens. Das unheilige Portal zeigte Azeroth durch die Augen des Todes. Im schimmernden Blau der Astralebene erstrahlten Wälder, Städte und Burgen der gesamten bekannten Welt in den engen Gemächern der Klosterbibliothek. Doch weder Menschen, noch Zwerge oder Orks bevölkerten die Szenerie des magischen Gemäldes. Nur dunkle, sich schnell bewegende Schatten waren in unregelmäßigen Abständen wahrnehmbar. Und eine schier endlose Zahl silbriger Fäden, welche von der Erdoberfläche aufstiegen und in der Endlosigkeit zu verschwinden schienen. Ein menschlicher Verstand wäre bei diesem Anblick zweifellos dem Wahnsinn verfallen.

Der tote Kleriker tauchte seine knochigen Hand durch das Portal und strich langsam durch die Unzahl der feinen Silberbänder. Die Lebensfäden der Sterblichen. Ein jeder davon an die Seele eines weltlichen Wesens gebunden, dazu bestimmt nach ihrem Tod selbige zur letzten Ruhe ins friedliche Reich des Jenseits zu ziehen. Farturs zerfallene, aschfahle Mundwinkel verzogen sich zu einem befriedigten Lächeln, als er den besonders starken Faden eines Orkkriegers durch seine knochigen Finger gleiten ließ.

Oh ihr kleingeistigen Gelehrten, Magier und Kriegsfürsten dieser Welt. Nie werdet ihr dieses Gefühl wahrer Macht kennen. Nie werdet ihr erfahren, welch Möglichkeiten, welch Wissensfülle zu erlangen einem die Existenz in der Ewigkeit des Untodes bietet. Ihr seid dazu verdammt, nach wenigen Jahren Eures armseligen Daseins dahinsiechend an Altersschwäche zu vergehen. Bis auf jene, die sich mir als nützlich erweisen werden.

Der Leichnam schloss seine Finger um den Lebensfaden des Orks und riss ihn mit einem Ruck aus dem Portal.

Für irdische Wesen nicht wahrnehmbar durchdrang ein grausiger Schrei, zeugend von unendlichen Qualen, die friedliche Stille der Astralebene, als die Seele des Kriegers aus seinem sterblichen Körper gerissen wurde.

Niemand konnte sie hören.
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Varsava
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Beitrag von Varsava »

Sehr gelungene Geschichte, muss ich schon sagen, vor allem da es einem als Leser sehr leicht fiel sich in diese Situation selbst hineinzuversetzen
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Kaelthalas
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Beitrag von Kaelthalas »

Jap, echt nicht schlecht die Geschichte.
Gefällt mir sehr gut, es lässt sich alles gut vorstellen.
Super !
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